ADR – Die Geschichte
Nur wer seine Geschichte kennt, kennt auch seine Zukunft
1945 – Kriegsende, der Wiederaufbau beginnt
Es ist heute kaum vorstellbar, doch nach dem Zweiten Weltkrieg musste der internationale Handel in Europa erst einmal neu aufgebaut werden. Die Gründung des Europarats und später der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl führte dazu, dass der Strassentransport an Bedeutung gewann.
Die chemische Industrie, die im Zweiten Weltkrieg eine entscheidende Rolle spielte, benötigte zunehmend Transporte von gefährlichen Gütern, was häufig zu Unfällen führte. Während für den Schienenverkehr bereits umfassende Regelungen für den Transport solcher Güter existierten, hinkte der Strassentransport erheblich hinterher. Zwar gab es in bestimmten Bereichen bereits Vorschriften gemäß dem Gewerberecht – wie etwa für Druckgase und brennbare Flüssigkeiten – jedoch war die Regelungslage insgesamt noch sehr unübersichtlich.
In den 1950er Jahren suchte die UNECE nach Lösungen für den sicheren Transport gefährlicher Güter, was schließlich zur Gründung des ADR führte.
Ein Vorschlag sah vor, das amerikanische System der Gefahrendiamanten zu übernehmen. Die französische Delegation war jedoch entschieden gegen dieses Konzept. Am nächsten Morgen stand eine wichtige Abstimmung an, und es war dringend notwendig, eine Einigung zu präsentieren. Monsieur George Kemler, ein Mitglied der französischen Delegation, nahm eine Flasche Wein und zog sich in sein Zimmer zurück. Am darauffolgenden Morgen stellte er die neuen Gefahrenklassen vor, die bis heute die Grundlage des ADR bilden.
Er entschied sich, die Diamantenform beizubehalten und die Zahlen 1 bis 9 verschiedenen Gefahren und deren Eigenschaften zuzuordnen. Er begann mit der ersten Gefahr, die im amerikanischen Eisenbahnbau zahlreiche Menschenleben gefordert hatte: Klasse 1 – Explosivstoffe!
Die orange Farbe wurde bereits früher zur Kennzeichnung explosiver Stoffe verwendet und blieb in diesem Zusammenhang bestehen. Rot wurde, analog zum amerikanischen System, der Feuergefahr zugeordnet. Gelb signalisiert brandfördernde Gefahren, während grün für Gase unter Druck steht, die sich beim Austreten abkühlen. Blau hingegen repräsentiert Reaktionen, die in Verbindung mit Wasser auftreten. Diese Farben reflektieren die Gefahren, die wir Menschen mit unseren Sinnesorganen wahrnehmen können: Druckwellen (orange), Hitze (rot und gelb) und Kälte (grün).
Für Gefahren, die wir mit unseren Sinnesorganen nicht erkennen können, wurden schwarz-weiße Kennzeichnungen gewählt. Eine besondere Frage ergibt sich bei Klasse 7 (radioaktiv), für die weiße und gelb-weiße Etiketten verwendet werden. Weiß steht für die Unwahrnehmbarkeit dieser Strahlung, während das Gelb darauf hinweist, dass sie auf molekularer Ebene Zellen schädigen kann.
29. Jänner 1968 – das ADR tritt in Kraft
Vier Jahre vor meiner Geburt trat das "Accord européen relatif au transport international des marchandises Dangereuses par Route" – kurz ADR – in Kraft. Allerdings war das ADR kein Gesetz, sondern ein internationaler Vertrag, an den sich alle unterzeichnenden Staaten halten und den sie ratifizieren mussten.
Der Vertrag wurde ursprünglich in Französisch verfasst, was bei der Übersetzung immer wieder zu Problemen führte, da dies in der Diplomatie der französischen Sprache liegt. In der Zwischenzeit ist Englisch gleichwertig mit Französisch zur Hauptsprache geworden. Dennoch wird Englisch als Grundlage für Übersetzungen verwendet.
Zu Beginn der 1970er Jahre war das ADR bei weitem nicht so ausgereift wie heute. Es wurde im Laufe der Zeit verbessert und vereinfacht. Ein Beispiel dafür ist, dass man damals für jedes Produkt, das man transportierte, eine eigene schriftliche Weisung im Fahrzeug mitführen und diese in einem kleinen Ledertäschchen hinten an der Orangentafel aufbewahren musste.
Die Gefahrenklassen wurden weiter unterteilt, sodass wir nun offiziell 13 Gefahrenklassen haben: 1, 2, 3, 4.1, 4.2, 4.3, 5.1, 5.2, 6.1, 6.2, 7, 8 und 9.
Das ADR ist jedoch bei weitem kein vollendetes Werk. Beispielsweise wurde 2019 das Wort "europäisch" gestrichen, da inzwischen auch einige nicht-europäische Staaten dazugehören.
Zweimal im Jahr trifft sich die WP 15 (Working Party 15) der UN ECE, um mit den Mitgliedstaaten Vorschläge für Veränderungen zu diskutieren. Für Österreich sind die Vertreter des Verkehrsministeriums dort anwesend, mit denen wir uns wiederum zweimal im Jahr vor den Treffen der WP 15 beraten.
Bei diesen Vorbereitungstreffen werden die Vorschläge, die von Mitgliedstaaten oder der Wirtschaft eingebracht wurden, diskutiert und darüber abgestimmt. Wir als VERSEM Professional Services GmbH sind vor Ort dabei und versuchen, eure Interessen zu vertreten. Wir hoffen, dass die weitere Entwicklung des ADR in die richtige Richtung geht.
ADR-Staaten
Albanien, Andorra, Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Irland, Island, Italien, Kasachstan, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Marokko, Nordmazedonien, Montenegro, Niederlande, Nigeria, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Republik Moldau, Rumänien, Russische Föderation, San Marino, Schweden, Schweiz, Serbien, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Tadschikistan, Türkei, Tunesien, Tschechische Republik, Uganda, Ukraine, Ungarn, Usbekistan, Vereinigtes Königreich und Zypern